„Überragender Bruckner“ Von Stefan Dosch, Augsburger Allgemeine Zeitung
Anton Bruckners 7. Sinfonie, die Augsburger Philharmoniker mit Anthony Bramall am Pult: eine Sinfonie aus dem Standardrepertoire eines jeden großen Orchesters, geleitet von einem erfahrenen Gastdirigenten. Da wird nichts schiefgehen, denkt man sich, und lehnt sich gelassen zurück in neutraler Erwartung dessen, was da kommen wird.

Und dann – unmöglich zu sagen, wann, wo genau – dann ereignet sich einer dieser Momente, die man als Konzertbesucher nicht herbeizitieren kann, Situationen des Musikerlebens, die sich dem passiv harrenden Hörer eben nur einstellen, Überraschungen, mit denen man gar nicht gerechnet hat. Das Ohr hakt mit einem Mal ein und mit ihm der aufnehmende Verstand, plötzlich ist die Aufmerksamkeit hoch gespannt, man meint, das auch anderswo im Saal zu spüren, meint obendrein, dass dies auch dem Sensorium der Musiker nicht entgeht: Ein Spannungswechselspiel zwischen Publikum und Interpreten ist da im Gange, vermittelt durch die Musik, durch Bruckners Siebte, deren Aufführung hier und heute schon im ersten Allegro alle Anzeichen des Besonderen trägt. Wird diese Bruckner-Höhe, fragt man sich im kurzen Atemholen beim Verklingen des Finalakkords des ersten Satzes, von Anthony Bramall und den Philharmonikern zu halten sein, über die Riesendimension des weiteren Sinfoniegebäudes hinweg?

Im zweiten Teil des Konzerts dann Bruckner. Gar nicht mystisch-verhangen, sondern flüssig von der ersten Themenvorstellung an, lichtzugewandt der mächtige erste Satz, an manchen Stellen von geradezu pastoraler Anmutung. Anthony Bramall ist sichtlich vertraut mit dieser Sinfonie, nur gelegentlich senkt er den Kopf auf die Partitur, richtet den Blick zumeist ins Orchester, lenkt mit weit ausholenden Gesten, verbindet Bruckners oft so erratisch wirkende Blöcke zu einer tönenden Folge von entwaffnender Sinnhaftigkeit. Das Orchester geht mit, ist spürbar inspiriert, Momente voller Intensität entstehen wie – Pars pro Toto – jene gut 20 Takte der Überleitung in die Coda.

Bei Anthony Bramalls Bruckner passt einfach alles.

Das für die Aufführung von Bruckners Sinfonik so zentrale Vermögen, die weit ausgreifenden Perioden unter einen Spannungsbogen zu fassen, gelingt bezwingend auch im anschließenden Satz. In diesem Adagio führt Bramall Konstellationen herbei, in denen Musik nicht einfach mehr erklingt. Sondern spricht. Und man versteht. Alles passt, wirkt naturgemäß entwickelt, auch der Kulminationspunkt mit Paukenwirbel, Beckenschlag und Triangeltremolo – die alte Frage, ob die instrumentale Höhung als Bruckner-Original zu gelten hat oder nicht, hier ist sie hinfällig. Nach dem ergreifenden Satzschluss mit einer phänomenal intonierenden Hörner- und Tuben-Sektion – Primi inter Pares im Orchester – vermag Bramall im Scherzo die Temperatur nicht ganz zu halten, legt aber im Finalsatz noch einmal zu. Geradezu keck der Beginn, schlüssig sich wendend ins elegische zweite Thema. Und auch hier im Satzgefüge wundersam ruhige Inseln, Areale der Introspektion und des Kräftesammelns im Gefolge machtvoll aufbrechender Tutti, berstender Klänge mit glühenden Blechbläser-Kernen – und doch geschichtet in glasklarer Struktur.

Ein Bruckner, wie man ihn lange nicht in Augsburg zu hören bekam. Jubel für die Philharmoniker, Jubel für Anthony Bramall.

Willkommen bei Anthony Bramall, Erster Gastdirigent des Staatstheaters am Gärtnerplatz, München

Der englische Dirigent Anthony Bramall machte sich einen Namen aufgrund seiner großen musikalischen Bandbreite, vorallem als Interpret des Deutschen Repertoires, Wagner und Strauss, sowie Mahler und Bruckner.

Sein Durchbruch in Opernhäusern, wie der Semperoper Dresden und dem Nationaltheater München, erfolgte jedoch mit Opern von Rossini und Puccini – ein Zeichen seines breitgefächerten stilistischen Könnens.

Als Konzert- und Operndirigent gastiert er erfolgreich in den USA, Japan, Holland, Schweden, Mexiko, Polen, Rumänien, Slowakei und Österreich.

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